12. Februar 2025 Kino ist ein Widerspruch in sich. Wir sitzen im Saal, als wärs ein Theater, aber der Guckkasten einer Bühne fehlt, vor uns gibt es nichts Lebendes, nichts Totes außer der Leinwand. Die scheint uns die Realität fotografisch genau vorzuhalten, und doch bleibt sie ganz passiv. Denn was wir auf ihr wahrnehmen, sind Spiele aus Licht, geschaffen aus nichts als jenen Wellen des elektromagnetischen Spektrums, mit denen unser Auge zufällig etwas anzufangen weiß. In dem Moment, da der Mensch was sehen will, ist Licht vonnöten, und was wir sehen, ist, in der Wirklichkeit wie im Film: Hell und Dunkel, Weiß und Schwarz und das Spektrum zwischen Violett und Rot, im Wellenbereich etwa zwischen 380 und 750 Nanometern. Normalerweise reicht uns das, im Film indes entstellt das Licht, das doch eigentlich die Wahrheit an den Tag bringen soll, die Welt gern bis zur Unsinnigkeit. Den Behelf, in Autos während Nachtfahrten die Innenraumbeleuchtung eingeschaltet zu lassen, sehen wir, auch wenn er jeder Alltagserfahrung zuwiderläuft, den Regisseuren nach, könnten wir doch andernfalls die Insassen nicht erkennen. Hingegen müssen wir die Lichtschimmer und -strahlen für Unsinn halten, die durchs tiefste Schwarz mitternächtlicher Wälder oder von Gebirgsschluchten zu dringen pflegen; geister- und rätselhaft kommen sie während rasender Fluchten, zielgenauer Verfolgungen, klammheimlicher Grabereien von irgendwoher – vom Himmel jedenfalls nicht –, dabei weiß jeder, der ein Mal zur Spätdämmerung zwischen mehr als fünfzig Bäumen umherirrte, dass man dann die Hand nicht mehr vor Augen sieht und jeder Steig und Abzweig erschreckend anders als vor zwei Stunden ausschaut. Aber auch der Tag wirft kinematografische Fragen auf: Warum leuchten in Kino- und Fernsehfilmen allerlei Lampen, Leuchten und Laternen in Wohn-, Ess- und Schlafzimmern, wenn doch rund ums Haus die Sonne gleichsam schallend vom Himmel lacht? Tatsächlich gibt es dafür handwerkliche Gründe. In Innenräumen, sofern sie nicht im Studio eigens eingerichtet werden, helfen Steh-, Tischlampen oder Küchenstrahler, das Mobiliar, die Requisiten und Gesichter kontrolliert, außerdem während längerer Drehphasen unverändert auszuleuchten; so nimmt das Risiko ab, stets nachjustieren zu müssen, sobald die Helligkeit schwankt. Nicht zu unterschätzen sind ferner die Impulse, die von erkennbaren Lichtquellen mit ihrer variablen Leuchtkraft auf die Atmosphäre einer Einstellung, die widerstreitenden Gefühle der Figuren ausgehen. Nebenbei unterstützen Lampen im Bild durch die Schatten und Kontraste, die sie erzeugen, die Raum- und Tiefenwirkungen eines Spielorts. Freilich wollten und wollen es sich nicht alle Filmleute immer so bequem machen. Zum Beispiel unterwarfen sich von der Mitte der 1990er-Jahre an die Künstler der Dogma-Bewegung einem rigorosen Realismus, drehten ausschließlich mit Handkameras an Originalschauplätzen und lehnten nicht nur Tricks und special effets, sondern bereits jedes Kunstlicht ab. Noch weitaus mehr Radikalität wagte der tödlich an Aids erkrankte Derek Jarman 1993 in seinem Lebensabschiedswerk: Fast völlig erblindet, tauchte der britische Maler und Filmemacher die Kinoleinwand für fünf Viertelstunden in die einzige Spektralfarbe des Tageslichts, die er kurz vor seinem Ende noch sehen konnte. „Blue“ heißt der Film, Blau die Farbe, etwa 465 Nanometer. ■
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Rückblick
15. Februar, Kirchenlamitz, Schule
Ein Skandal, der einem die Sprache verschlagen sollte: Im reichen Deutschland bedroht Armut jeden fünften Menschen unter achtzehn; andernorts in Europa sieht es oft nicht besser aus. Im mobilen Stück Wutschweiger der Belgier Jan Sobrie und Raven Ruëll machen Alexandra Ebert und Etienne Moussou vom Theater Hof Schülerinnen und Schüler unterhaltsam und bedenkenswert mit dem Problem vertraut.
4. Februar, Hof, Theater, Großes Haus
Alle Kulturen aller Epochen erzählten sich Geschichten darüber, wie die Menschheit entstand. Igor Kirov beruft sich auf die Mythologie der alten Griechen: Zu Ludwig van Beethovens Ballettmusik lässt der kroatische Choreograf die exquisite Compagnie eine wunderbar fließende, rein abstrakte Version des Mysteriums tanzen, durch das Die Geschöpfe des Prometheus zum Leben erwachten.
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Don Karlos
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Thea von Tauperlitz
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Hedwig and the Angry Inch
Märchen im Grand-Hotel
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Tristan und Isolde auf dem Grünen Hügel
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Jelisaweta Bam im Vogtlandtheater
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Dre Mal Wiener Klassik: Christian Zacharias dirigiert und spielt Klavier
Harfenzauber: Ein Pionierstück und Debussys „Danses“ bei den Symphonikern
Machet die Tore weit: Feinsinniges Adventskonzert des Kammerchors Hof
Teufelsgeigereien: Die 24-jährige Anna Luise Kramb glänzt im Rosenthel-Theater
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Olaf Schubert bewertet die Schöpfung
Philipp Scharrenberg verwirrt Bad Steben
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Definitiv vielleicht: Günter Grünwald in Hof
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Bücher & Musik: Von Sonne, Mond und Sternen in den „Geschichtsraum“ Bayern
Aus dem Nachlass: Unbekannte frühe Erzählungen von Siegfried Lenz
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Musik & Buch: Franz Schmidt, Schubert/Webern/Mahler, Puccini, Holocaust
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Das Findelkind Europas: Kaspar Hauser war nachweislich kein Fürstenspross
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Erich Kästner, doppelt und dreifach
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Zum 100. Todestag Franz Kafkas
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